Die Herkunft der Tölter

Grindill von Bláa Húsinu

Im Tölt an der Hand

Der Passgang im Tierreich

Passgänge sind häufiger anzutreffen, als das viele vielleicht vermuten. Tatsächlich ist die laterale Anlage nicht nur von Pferden bekannt. Diese Art der Fortbewegung ist im Tierreich weit verbreitet. So nutzen z.B. Elefanten neben dem Schritt ausschließlich den Tölt zur Fortbewegung und das sogar mit beachtlichem Tempo, nämlich mit bis zu 40 km/h. Bären kennen ebenso keinen Trab und tölten stattdessen. Esel, Kameliden und Giraffen sind Passgänger. Sogar Hunde sieht man teilweise in einem Wechsel zwischen Trab und Passgang. Manche gehen sogar nur Pass.
Archäologische Funde lassen außerdem darauf schließen, dass laterale (Pass-)Gangarten schon seit tausenden Jahren bei Landtieren vorhanden sind. So weisen schon 3,5 Millionen Jahre alte Spuren von Urpferden auf die Nutzung lateraler Bewegungen hin.
Die heute eher als exotisch geltenden Zusatzgänge haben also eine lange Tradition unter den Landtieren. Doch warum gibt es sie überhaupt?

Der Schritt ist der langsamste Gang. Es wird hier jeweils ein Bein in die Luft gehoben und einzeln, nacheinander wieder aufgesetzt. Der Schritt verbraucht die wenigste Energie, ist aber auch sehr langsam. Er wird im Tierreich auf Wanderungen und beim Grasen verwendet.
Beim Trab, einer ‚Kreuzgangart‘ werden zwei Beine diagonal nach vorne geschwungen. Dazwischen gibt es eine kurze Schwebephase, in der alle vier Beine in der Luft sind. Der Trab ist vor allem in unebenem oder tiefem Gelände vorteilhaft und verschafft dem Tier Trittsicherheit bei mittlerem Tempo.
Die schnellste Gangart ist der Galopp. Er hat die größte Schwebephase, ist aber auch am kraftraubendsten. Er findet meist Verwendung auf der Flucht bzw. der Beutejagd.
Beim Passgang werden zwei Beine im lateralen Zweitakt (Trab diagonaler Zweitakt) mehr oder weniger gleichzeitig angehoben und abgesetzt, also jeweils die Beine einer Körperseite. Der ‚Tölt‘ ist letztendlich nur ein Passgang mit Taktverschiebung in Richtung Trab wodurch ein Viertakt entsteht.
Der Passgang verbraucht in Relation zur Geschwindigkeit am wenigsten Energie und eignet sich für weite, ebene Flächen. Es ist also nicht verwunderlich, dass er vor allem von großen und/oder schweren Tieren genutzt wird, die oft vornehmlich in Steppen leben.

Glymmerei und Rakni

mit Nina und Mona

Die Gangpferdereiter der Geschichte

In der Vergangenheit gab es noch deutlich mehr Pferde, die eine Veranlagung zu Passgängen hatten, insbesondere in Europa wo es heute eine Besonderheit ist wenn ein Pferd über Zusatzgänge verfügt. Über viele Jahrhunderte dürften solche Gangpferde sogar dominiert haben. Bereits Germanen und Kelten schätzen Gangpferde und aus dem alten Griechenland sind Kunstwerke erhalten geblieben, die Pferde in lateralen Gangarten darstellen. Von Assyrern, Persern, Indern, Chinesen und Römern ist ebenfalls bekannt, dass diese schon im Altertum Gangpferden nutzten. Es haben sich sogar Bezeichnungen für die Zusatzgänge erhalten.
In Indien nannte man die Bewegungsart ‚Windfuß` in China ‚Blumengangart‘. Die alten Römer ritten mit Vorliebe ‚Amblatura‘. Man nannte die Gangpferde ‚Totonarios‘ oder ‚Tjeldos‘. Ein Trabpferd war bei den Römern ein ‚Succussator‘ (Rüttler) oder gar ‚Tormentor‘ (Quäler). Auch die Wikinger schätzen bequeme Pferde und brachten die europäischen Tölter (vermutlich von England) mit nach Island. Ihre Nachfahren (die Islandpferde) sind heute die wahrscheinlich älteste, reingezogene Gangpferderasse der Welt. Die Eroberung Englands durch die Normannen wurde im 11. Jahrhundert auf einem fast 70 Meter langen Teppich festgehalten, auch hier kann man Abbildungen von Pferden im Passgang finden.
Im Mittelalter waren ‚Palfreys‘ oder ‚Zelter‘ hoch geschätzte Reitpferde, sie waren Paradepferd für Fürsten und Klerus, sowie die Pferde edler Damen. Man nutze sie außerdem bei der Jagd. Töltende Falknerpferde waren begehrt und wurden mit goldenen Münzen teuer bezahlt da die bequemen Gänge nicht nur den Reiter, sondern auch den wertvollen Falken schonten.
Über das islamische Südspanien kamen arabische Pferde nach Europa, unter denen die besonders wertvollen ebenfalls Tölter waren - schätzte doch der Prophet Mohammed vor allem die Gangart ‚Rahwan‘.
Aber auch die ursprünglichen iberischen Pferde waren damals Gang-veranlagt. Mit Kolumbus kamen schließlich ab 1493 die iberischen Tölter in die Neue Welt, von denen viele der heutigen Gangpferde Nord- und Südamerikas abstammen. Auch die Engländer bringen später ihre britischen Passgänger mit in die Kolonien der neuen Welt. Sie haben besonders zu den nordamerikanischen Gangpferderassen beigetragen. Gangpferde waren also überall anzutreffen.

Rakni frá Holusmúla I

Vom Verschwinden der lateralen Gänge

Die Beschränkung auf dreigängige Pferde ist eine relativ junge Entwicklung auch wenn das heute kaum jemand glauben kann.
Der Niedergang der Gangpferdezucht (zumindest in Europa) begann mit dem Niedergang der Reitkunst durch die Umstellung der militärischen Reiterei vom berittenen Nahkampf auf die ‚moderne‘ Kavallerie. Das Pferd diente ab der Erfindung der Schusswaffe mehr und mehr nur noch zur schnellen Verlagerung der Truppe und zum überrennen feindlicher Linien. Die Nachfrage der Kavallerie förderte deshalb die Zucht zu immer raumgreifenderen Gängen und immer mehr Größe.
Das Heer bestand zudem zum Großteil aus Rekruten, die nie zuvor auf einem Pferd saßen und möglichst schnell mit möglichst billigen Mitteln in den Krieg geschickt wurden. Sowohl die Ausbildung der Pferde als auch die der Reiter wurde deshalb auf das dafür nötige Minimum beschränkt. Ein Pferd das nur trabte war deutlich schneller auszubilden und einfacher zu reiten als eines, das zusätzlich über Laterale verfügte. Es war damit bedeutend wirtschaftlicher. Das trabende ‚Großpferd‘ wurde so zur Haupteinnahmequelle der Züchter, die nach und nach alle anderen Zuchten vernachlässigten.

Völlig verschwunden sind die europäischen Gangpferde aber erst nach den Weltkriegen. Das Pferd wurde von Auto und Bahn verdrängt, auch der Postdienst war wegen dem Ausbau des Straßennetzes schon längst auf andere Verkehrsmittel umgesprungen. Niemand musste seine Reisen mehr auf dem Pferderücken erledigen. Es waren in der Nachkriegszeit nur noch Pferde für den aufkommenden Reitsport gefragt. Dieser aus der Militär-Reiterei entsprungene Sport hatte seine Regeln auf die Pferderassen der Kavallerie und die mit ihnen übliche, militärisch reglementierte Reitweise abgestimmt. Der Tölt wurde zum 'Taktfehler'.
Die letzten spanischen Gangpferde wurden in den vierziger Jahren geschlachtet weil man mit ihnen nichts mehr anfangen konnte. Anderen Pferden ging es vermutlich ähnlich. Überlebt haben in Europa nur wenige Rassen. ‚Bauernpferde‘ der einfachen Landbevölkerung auf dem Balkan und in Griechenland, wo man ein einfaches Leben führte. Vorhanden sind die Gene aber immer. Sie schlummern im Erbgut vieler Pferderassen und so tut sich ab und an ein Tölter hervor bei einer Rasse von der man es nicht erwartet.

In anderen Ländern sind die alten Gangpferderassen hingegen in größerer Zahl erhalten geblieben. Besonders im asiatischen Raum gibt es viele Tölter und Passer. In Europa machte erst das Islandpferd die in Vergessenheit geratenen Gangarten wieder bekannt, die mit dem Einzug des Freizeitreitens ihr Comeback feierten.